
Grundmodell
Ort – Galerie Herold Güterbahnhof Bremen
Material – Flachstahl: 2m, Gewindestangen: 21 Stück, handgeschnittenes Zeichenpapier
Details – 10 cm breit, 1.50 cm lang, wiederverwertet, ca. 400 Stück, teilweise koloriert, Pastellkreide,
Fotos – Matthias Knapp & Franziska von den Driesch
Jahr – 2023
Kellers Arbeit Grundmodell besteht aus handgeschnittenem wiederverwerteten Zeichenpapier, das an Gewindestangen geschichtet ist. Das Objekt ist mit einem Flachstahl an der Wand befestigt. Wir sehen Schichtung, Stapelung, Aneinanderreihung. Die Farbigkeit entsteht durch Licht und Schatten: die in verschiedenen Grüntönen kolorierten Rückseiten des Papiers bescheinen die hinteren weißen Papierflächen . Die dahinter-liegende Wand verfärbt sich durch die Reflexion der Farbe und erweitert das Objekt.
Für die Betrachter:innen ist ein aktiver Perspektivwechsel notwendig, um verschiedene Aspekte des Objektes wahrzunehmen. In der Draufsicht zeigt sich Geometrie durch die diagonal angeordneten Linien; von rechts zeigt sich eine Öffnung in dreieckiger Form - ein Durchgang der geschlossen ist. Die Betrachter:innen müssen sich bewegen, um ausschnitthafte Erkenntnisse zu gewinnen – und bringen die Papierstreifen/das Objekt zum Schwingen. So reagiert das Objekt unmittelbar auf seine Umgebung und offenbart in seiner Schichtung das Vorder- und Hintergründige, das sich gegenseitig bedingt.
Die von Franziska Keller hier gezeigte Arbeit Grundmodell ist durch die Auseinandersetzung mit Theorien des Philosophen Bernd Scherer beeinflusst.
„Und dieses durch die Zentralperspektive definierte Bildverständnis wurde (.....) auf die Erschließung anderer Kulturen und Gesellschaften wie im Hinblick auf diejenige der Natur zum Grundmodell des europäischen Weltverständnis. Seine Grundlage bildet die Geometrie in Verbindung mit einem Verständnis von Wahrnehmung, in dem der Mensch ausschließlich Akteur ist.“ (Bernd Scherer: Der Angriff der Zeichen, Denkbilder und Handlungsmuster des Anthropozäns, 2022, Matthes und & Seitz, S.48.)
Die Künstlerin nähert sich ästhetisch der Frage an, wie ein Übergang, ein Dazwischen be-/ und gezeichnet werden kann und öffnet Denkräume, die uns auf uns selbst zurückwerfen. Das Betrachten ist nicht auf eine Perspektive reduziert, das Erschließen anderer Sichtweisen und Wahrnehmungen wird neu aber mit durchaus vertrauten Zeichen aktiviert. Subtil und dennoch ist dies auch eine Auseinandersetzung damit, in welchem Verhältnis der Mensch zu seiner natürlichen Umgebung in Zukunft stehen könnte.
Auszüge aus dem Begleittext zur der Ausstellung Transition: Katja Blum und Franziska Keller
in der Galerie Herold, Güterbahnhof Bremen 06.10.2023
Autorin: Janin Behrens, Kunst und Medienwissenschaften, Leitung/Geschäftsführung des Künstler*inhauses Bremen